Appassionata

Mit seinem Film „Appassionata“ hat Regisseur Christian Lambrat eine bewegende Dokumentation über eine medienscheue Pianistin gedreht: Die ukrainische Pianistin Alena Cherny. Die Musikerin versteht es, ihr Publikum mit ihrem Klavierspiel zu berühren. Welcher Mensch hinter dieser Musik steckt, erfährt man in diesem sehr persönlichen Porträt auf leise und eindringliche Weise.

Dauer: 83 Min.
Jahr:
Regie: Christian Labhart
Hauptdarsteller: Alena Cherny, Monika Pfister, Sofia Bachmann
Nebendarsteller: Nikolaj Petrenko, Swetlana Petrenko
Genre: Dokumentation
Studio: Indigo
Sprachen: Deutsch

Der Regisseur begleitet Alena Cherny in ihr ukrainisches Heimatdorf, denn dort möchte sie der lokalen Musikschule einen Flügel spenden. Von ihren ersten Schritten als Pianistin in ebendieser Musikschule, den traumatischen Erinnerungen an ihre Jahre in einem Elite-Internat und die Reaktorkathastrophe in Tschernobyl, bis zu den Bühnen der Welt, begleiten die Zuschauer die Protagonistin auf einer Reise in ihre Heimat und zu sich selbst. Der rote Faden ihres Lebens ist dabei die Leidenschaft für die Musik.

Besetzung / Schauspieler, Regie und Drehorte

Der Film „Appassionata“ ist Innenschau und gleichzeitig eine Reise in die Vergangenheit. Gedreht wurde der Film 2012 im ukrainischen Dorf Romny, Heimat der Konzertpianistin Alena Cherny. Dort werden neben der örtlichen Musikschule auch die Eltern besucht. Alle wichtigen Stationen auf dem Lebensweg der Mittvierzigerin werden durchlaufen. Auch das Internat in der Nähe von Kiew wird besucht,die Stadt Prybjat in der Nähe von Tschernobyl und die Wahlheimat Schweiz, ein von ihr veranstaltetes Benefizkonzert in Winterthur.

Szenen aus diesem Konzert wechseln immer wieder mit Erinnerungen. Der Film erhielt beim Filmfestival Zürich im Jahr 2013 den Publikumspreis. Andere Menschen kommen im Film kaum zu Wort. Der Hauptfokus liegt auf Alena Cherny selbst, ihrem Leben, ihrer Sicht, ihren Verletzungen und ihrer Musik. Der Anfang des Films zeigt die Musikerin in Wetzikorn, ihrem Schweizer Wohnort. Dort erzählt sie von ihrer Kindheit, ihrer Liebe zur Musik, die sich als einzige Sicherheit und Konstante in einem von Schicksalsschlägen und Traumata geprägten Leben erwiesen hat.

Handlung & Story vom Film „Appassionata“

Für Alena Cherny bedeutet Musik alles. Mit ihr vermag sie auszudrücken, was in ihrem tiefsten Inneren vor sich geht. Sie kann mit ihrem Klavierspiel ihre Gefühle ausdrücken und so ihre Zuhörer nachhaltig fesseln. Wer so spielt, hat viel erlebt und verarbeitet in der Musik nicht nur positive Gefühle. In einem Elite-Internat in der Nähe von Kiew lernte sie zwar ihr Handwerk, doch die Liebe fehlte. Vielleicht legte sie deshalb besonders viel Liebe in ihr Klavierspiel. Das kommunistische System in ihrer Heimat hat sie in schlimmer Erinnerung. Der Mensch zählt nicht in dieser Ideologie-das wurde ihr am deutlichsten durch die Kathastrophe in Tschernobyl klar.

Eine Leukämieerkrankung ist die Folge. Nachdem sie diese Krankheit besiegt, ihre Ehe beendet und eine neue Liebe gefunden hatte, zog sie mit einem Schweizer Klavierbauer in dessen Heimat, die Schweiz, das Zürcher Oberland. Bis auch diese Ehe zerbricht. Zur Tochter, mit der sie nach dem Scheitern dieser Ehe nach Wetzikon zieht, hat sie ein angespanntes Verhältnis. Was ihr geblieben ist, sind drei Flügel. Dieses Bild, die Musikerin mit ihren drei Flügeln in einer alten Fabrikantenvilla, steht für die Einsamkeit und gleichzeitige Stärke einer Frau, die sich voll und ganz der Musik verschrieben hat.

Doch die Verbundenheit zur alten Heimat bleibt und wird von ambivalenten Gefühlen begleitet. Diese Widersprüchlichkeit ist der rote Faden des Films. Am berührendsten wirkt dabei die Begegnung mit den Eltern am Ende des Films. Hier zeigt sich die Ambivalenz am deutlichsten. Die Dankbarkeit über das große Vertrauen, das ihre Eltern in ihr Talent hatten, die Chance, die sie ihr damit gaben. Und die Wut und Trauer, über den Verlust der Kindheit und den Verlust der Liebe, der die Musikerin nachhaltig negativ geprägt hat.

Mobbing und Drill im Internat führten zu psychischen Problemen, die schließlich in einem Selbstmordversuch gipfelten. Es war die Musik, die ihr aus dieser Krise heraushalf. Die Musik fungierte für Alena Cherny immer wieder als Befreiung und Mittel zur Unabhängigkeit. Wenn die Liebe fehlt, bleibt das Klavier. Ebenso wenn das politische System im eigenen Land versagt, bleibt die Musik als einzige Sicherheit. Ebenso wenn geliebte Menschen gehen und man fremd in einem neuen Land ist, kann die Musik eine Möglichkeit sein, sich auszudrücken, Identität wiederzufinden und sich zu behaupten.

Melancholie ist ihre Stärke, ist das, was ihre Musik einzigartig macht und das Gegenteil von Depression, mit der die Pianistin in ihrer Jugend zu kämpfen hatte. Sie verleiht ihr ein Selbstwertgefühl, das ganz aus ihr kommt und ist somit auch Selbstermächtigung. Interessant ist außerdem die zweite Botschaft des Films: Geschichte und private Einzelschicksale sind eng miteinander verknüpft. Der Kommunismus hielt nichts vom Individualismus, ein einzelner Mensch war nichts wert und musste doch ganz allein mit seinen Problemen fertig werden. Dieser seltsame Widerspruch-der Gruppenzwang einerseits und die völlige Vereinzelung der Menschen, wenn es um persönliche Schwierigkeiten ging. Alena Cherny verkörpert diesen Widerspruch in ihrer gesamten Persönlichkeit und Lebensgeschichte.

Fazit & Kritiken zum Film „Appassionata“

Es sind nicht so sehr die äußeren Umstände, die in „Appassionata“ im Vordergrund stehen und ihn so besonders machen. Der Film unterscheidet sich von anderen Musikdokumentationen durch die Schwerpunktsetzung auf die Protagonistin selbst, die Persönlichkeit einer sensiblen Vollblutmusikerin. Alena Cherny wird mit all ihren Facetten beleuchtet. Ihr Humor, der sich auch bei der Schilderung der schwierigsten Lebensereignisse bemerkbar macht, sowie ihre Nachdenklichkeit, die sie Lebensereignisse reflektieren lässt und die Liebe zum Leben, die ihr immer wieder die Motivation gab, aufzustehen und weiterzukämpfen.

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